Auto_Bio_Grafie als Performance

Ein tanzhistoriografisches Innovationsfeld

Li Cunxin: Mao's Last Dancer (Penguin Group); Isadora Duncan: My Life (Liveright); Misty Copeland: Life in Motion. An Unlikely Ballerina (Aladdin); Martha Graham: Blood Memory. An Autobiography (Doubleday); Stiftung SAPA: Interview mit Noemi Lapzeson; Stiftung SAPA: Interview mit Ursula Pellaton (SAPA); Meg Stuart/Damaged Goods: Hunter (Iris Janke); La Ribot: Otra Narcisa (Vacío Studio)

Leitung: Prof. Dr. Christina Thurner

Mitarbeitende: Dr. Elizabeth Waterhouse, Dr. Julia Wehren, Dr. des. Nadja Rothenburger, 
M.A. Claudio Richard (bis 2023), M.A. David Castillo (seit 2023)

Das durch den SNF geförderte Projekt untersucht aus tanzgeschichtlicher Perspektive autobiografische ‚Erzeugnisse‘ von Tänzer_innen und Choreograf_innen (19. bis 21. Jahrhundert). Als Wissens- und Erfahrungsspeicher bieten diese einen einzigartigen Fundus an oftmals alternativ perspektivierten Informationen für die Tanzgeschichtsschreibung, wobei ihr spezifischer Quellenstatus berücksichtigt und stets mit reflektiert werden muss.

Auto_Bio_Grafien, d.h. Beschreibungen (grafie) des Lebens (bio) Einzelner durch diese selbst (auto), werden in ihrer performativen Verfasstheit zur Konstitution und Ermächtigung des/eines ‚Selbst‘ begriffen. Der Fokus ist dabei ein doppelter: Einerseits soll ein historisch, (tanz-)kulturell und medial möglichst breites Spektrum an Darlegungen verschiedener Tänzer_innen-Leben je exemplarisch erfasst, thematisch untersucht sowie im Zusammenhang historiografisch ausgewertet werden; andererseits gilt es, das Verhältnis zwischen den jeweiligen tanzhistorischen Diskursen und den autobiografischen Er-/Zeugnissen zu reflektieren und (neu) zu be-/schreiben. 

Folgende Fragen sind erkenntnisleitend: Wie ist mit Selbstaussagen von Tänzer_innen etwa in Bezug auf das jeweilige Tanzverständnis, die (tanz-)historischen, phänomenalen und medialen Kontexte umzugehen? Wie werden ‚Tanzerfahrungen‘ jeweils diskursiviert und/oder performativ präsentiert? Und wie ist damit historiografisch zu verfahren bzw. welche neuen Erkenntnisse lassen sich im Hinblick auf die Tanzgeschichtsschreibung sowie auf die Autobiografieforschung daraus ableiten?

Ziel ist eine tanzwissenschaftlich fundierte Bearbeitung des Themas. Das Projekt basiert auf interdisziplinärer Forschung zu Autobiografik, nimmt dabei aber disziplinär ein eigenes, weites Korpus zusammenhängend in den Blick, macht dieses fachspezifisch produktiv und wiederum fachübergreifend anschlussfähig. Als konsequente Weiterverfolgung und innovative Erweiterung der bisherigen historiografischen und diskursanalytischen Forschung zielt das Projekt (bestehend aus drei Teilprojekten) auf eine Revision der Tanzgeschichte bzw. der Tanzgeschichtsschreibung, indem es den Fokus sowohl auf schriftliche ‚Selbstzeugnisse‘ von Tänzer_innen richtet (d.s. in Buchform publizierte oder als Manuskripte greifbare Autobiografien), aber auch auf mündliche (Oral History-Gespräche mit Zeitzeug_innen) und auf aufgeführte (Stücke, Choreografien, Performances) – stets unter Beachtung ihrer jeweiligen Verfahrensweisen und ihres epistemologischen Potentials.

Damit schafft das Projekt ein (tanz-)wissenschaftliches Innovationsfeld, das einerseits auf die Gegenstände, andererseits auf Methoden zielt und die Autobiografieforschung erstmalig grundlegend als Teilgebiet der Tanzhistoriografie etabliert. Im Laufe der vierjährigen Projektphase (1.9.2020-31.8.2024) sind mehrere Publikationen vorgesehen (print, open-access und digital) sowie öffentliche Workshops zum Verhältnis von disziplinärer und interdisziplinärer Autobiografieforschung einerseits und zu Erinnerungs- und Archivierungsprozessen im Tanz andererseits.

Teilprojekt A (C. Thurner): Auto_Bio_Grafie als Quelle der Tanzhistoriografie
Teilprojekt B1 (J. Wehren): Erinnerungen erzählen. Zur Oral History-Methode im Tanz 
Teilprojekt B2 (E. Waterhouse): AutobodyographyOur Dancing Bodies
Teilprojekt C (N. Rothenburger): Auto_Choreo_Grafie

Mitarbeitende

Prof. Dr. Christina Thurner (Projektleitung)
Dr. des. Nadja Rothenburger (Doktorandin)
Dr. Elizabeth Waterhouse (Postdoc)
Dr. Julia Wehren (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
M.A. David Castillo (Hilfsassistenz, seit 2023)
M.A. Claudio Richard (Hilfsassistenz, bis 2023)

Buchpublikationen

Castillo, D.; Rothenburger, N.; Thurner, C.; Waterhouse, E. u. Wehren, J.: Auto_Bio_Grafie als Performance. Bibliografie zu Autobiografie im Tanz/in der Tanzgeschichte. Bern 2024.
Thurner, Christina: Erinnerungen tanzen. Autobiografien als Quellen der Tanzhistoriografie. Bielefeld 2024.
Rothenburger, Nadja: Auto_Choreo_Grafie. Selbst an- und umordnen mit/als Tanzgeschichtsschreibung. Bielefeld 2025 [i.E.].
Waterhouse, Elizabeth: Body-Biographies. Our Life Stories in Dance. Hilary Cartwright, Christine Kono, Chris Lechner, and Marcus Schulkind. Bielefeld 2025 [i.E.].
Wehren, Julia: Oral Dance History. Eine translokale Geschichte zum Tanz in der Schweiz. Bielefeld 2025 [i.E.].

Kooperationen

Forschungsplattform Auto-Bio-Grafie, Walter-Benjamin-Kolleg, Universität Bern
Prof. Dr. Gabriele Rippl, Department of English
Prof. Dr. Michaela Schäuble, Institut für Sozialanthropologie
Prof. Dr. Peter J. Schneemann, Institut für Kunstgeschichte
Prof. Dr. Bénédicte Vauthier, Instituto de Lengua y Literaturas Hispánicas

Internationale Partner

Prof. Dr. Marina Nordera, Université Côte d'Azur
Prof. Dr. Susanne Franco, Università Ca' Foscari Venezia
Projektgruppe Mnemedance | Memory In Motion

Institutionelle Kooperationen Stiftung SAPA/Schweizer Archiv der Darstellenden Künste