Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Kotte
Forschungsassistenz / Doktorandin: lic.phil. Maria-Elisabeth Heinzer
In den Jahren von 530 bis 930 nach Chr. soll in Europa kein Theater existiert haben. Die Theatergeschichtsschreibung geht davon aus, dass es mit dem Zusammenbruch des Römischen Imperiums in Vergessenheit geraten und später, ohne jeden Rückgriff auf die antike Theatertradition, neu erfunden worden ist. Obwohl ein so radikaler Bruch in der Kulturgeschichte einmalig wäre und kaum plausibel erscheint, wird er als historische Tatsache betrachtet und kaum hinterfragt. Doch wie kann die so reiche und aufwendige antike Theatertradition so plötzlich verschwunden sein? Manifestierte sich der Spieltrieb der Menschen in anderen Formen der Unterhaltung? Auf Fragen wie diese wird in den Theatergeschichten kaum eingegangen, eine spezifische Untersuchung zum so genannten Theatervakuum fehlt. Bei der angeblich theaterlosen Zeit scheint es sich damit eher um eine Lücke in der theatergeschichtlichen Forschung als in der Theatergeschichte zu handeln. Die knappen, uneinheitlichen und vagen Darstellungen lassen sich nicht oder nicht ausschliesslich durch eine schlechte Quellenlage begründen, sondern sind das Resultat verschiedener problematischer Tendenzen in der Theaterhistoriographie. Das vorliegende Projekt zielt auf eine kritische Revision der bisher geleisteten Forschungsarbeit und eine Aufarbeitung des Untersuchungszeitraums aus dem Blickwinkel eines zeitgemässen Theaterbegriffs.